Mai 2017
Zurück zu uns selbst

Von oben nach unten, von innen nach aussen, so fliesst die Energie, mit der wir in der Welt wirken. In diesem Artikel erklären wir, warum es genauso auf die umgekehrte Energiebewegung in uns ankommt. 

Polarity ist eine energetische Heilkunst und mittlerweile auch eine eidgenössisch anerkannte Therapiemethode der Komplementärmedizin. Das Neue an Polarity ist, dass man sich in der Therapie an energetischen Prinzipien und natürlichen Gesetzmässigkeiten und nicht an körperlichen Symptomen orientiert. Das Verständnis der Polarity-Prinzipien und energetischen Gesetzmässigkeiten beschränkt sich jedoch nicht auf die Anwendung in der Therapie. Sie kann uns im Leben eine ganz neue Perspektive auf unser Menschsein eröffnen.

In der Polarity-Therapie gehen wir davon aus, dass der Körper aufgrund des ihm zugrunde liegenden Energie- und Informationsflusses funktioniert. Die Energie zirkuliert im zentralen Energiekanal der Wirbelsäule zwischen dem Gehirn und dem Kreuzbein. Die Energie wird von diesem Kern und den darin enthaltenen Energiezentren hinunter- und hinausprojiziert (Involutionsbewegung) und erschafft dann das grosse elektromagnetische Feld, in dem wir leben. In ihrer Flussrichtung von oben nach unten wird die Energie langsamer und dichter und widerspiegelt im Grösseren/Manifesten unseren individuellen Ausdruck in der Welt, die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und Identität wie etwa unsere Karriere, unsere Familie und unseren Status in der Gesellschaft.

Gesunde Pulsationsdynamik
Wenn der Mensch seine Lebensenergie jedoch nur noch auf die Manifestation im Aussen reduziert und sich fast ausschliesslich im Aussen orientiert (Involutionsbewegung), geht die Gegenbewegung (Evolutionsbewegung) und somit die gesunde Pulsationsdynamik verloren. Die Energie gerät ins Stocken und polarisiert. Hier hat beispielsweise die Burnout-Symptomatik ihren Ursprung. Dabei verbrauchen wir unsere Lebensenergie, um im Aussen unser Leben zu manifestieren. Unsere Aufmerksamkeit – die unsere Lebensenergie lenkt – ist dann gänzlich auf die manifeste Ebene fokussiert. Wir verlieren uns im Kampfmodus, im Konkurrenzdenken und in der Such(e)t nach materiellen Errungenschaften, die bereits den Grad von Statussymbolen überstiegen und die Bedeutung einer Selbstdefinition angenommen haben: «Wenn du was hast, bist du wer.» Wenn es keine Rückkehr zum inneren Kern und keine adäquaten Erholungsphasen mehr gibt, fühlen wir uns mit der Zeit leer und ausgebrannt. Dieser Moment kann uns jedoch auch den nötigen Impuls geben, um die Gegenbewegung (Evolutionsbewegung) einzuleiten.

Die Bewegung zurück zu uns selbst ist nicht einfach, da dies nicht unserer gesellschaftlichen Prägung entspricht. Wir werden von klein auf dazu erzogen, äussere Erwartungen zu erfüllen und unseren Platz in der Leistungsgesellschaft zu finden.

Den Referenzpunkt zurücknehmen
Den Referenzpunkt geben wir ab an äussere Instanzen, sei dies nun die Schule mit ihren Noten und Verhaltensbewertungen oder ein Geschäft mit seinen Zielformulierungen. All unsere Erziehungs- und Bildungskonzepte streben danach, erfolgreich zu sein. Sie schicken uns damit in einen absurden Konkurrenzkampf, in dem einige wenige scheinbar gewinnen und natürlich die meisten als Verlierer zurückbleiben.

In beiden Fällen führt dies zu negativen Gefühls- und Einstellungszuständen: Jeder leidet unter dem Gefühl, nicht genug zu sein. Obwohl eigentlich keiner besser oder schlechter ist, da jedes Individuum naturgegeben einmalig und ein Vergleich somit unmöglich ist. Eben dieses Bewusstsein, dieser Ausgleich und diese Entspannung, dass wir, so wie wir sind, einzigartig, ganz und liebenswert sind, ist uns abhandengekommen.

Unseren Körper haben wir den Ärzten überschrieben, unseren Geist ins Jenseits verbannt und unsere Bedürfnisse auf den Materialismus übertragen. Dass es in der Gesellschaft daneben ein Bedürfnis nach Rückverbindung gibt, spiegelt uns die Anzahl der Yoga-Lehrer-Ausbildungen, in denen viele Menschen einen Ausgleich zum hektischen Alltag finden. Aber die Suche beschränkt sich oftmals nicht einzig auf eine gesunde Work-Life-Balance. Sie wird auch angetrieben von einem tiefen Bedürfnis nach einer echten Verbindung mit sich selbst und mit etwas Grösserem.

Formschaffende Energiewesen
Religion leitet sich vom Lateinischen «religio» her, was «Rückverbindung» bedeutet. Es bezieht sich also auf den Umstand, dass wir eine Verbindung zu etwas aufgegeben haben und es nun unsere Aufgabe ist, uns wieder aufs Neue damit zu verbinden.

Betrachten wir die heutige Welt, so erkennen wir unschwer, welche Art von Verbindung von der Menschheit zum Grossteil aufgegeben worden ist. Rückverbindung ist die Verbindung mit sich selbst, mit dem, was wir Menschen eigentlich sind, nämlich damit, dass wir in unserer Essenz formschaffende bewusste Energiewesen sind. Sind wir mit den formgebenden Kräften in uns in Kontakt, liegt unser primärer Referenzpunkt nicht mehr im manifesten Aussen, sondern im geistigen Innen. Wir sind nicht länger darauf angewiesen, die Antworten im Aussen zu suchen, sondern haben die Fähigkeit, auf ein umfassenderes Wissen in uns zu horchen.

Und das Positive daran ist, dass dabei unsere Leistungsfähigkeit in keinster Art und Weise geschmälert wird. Im Gegenteil, der Informations- und Energiefluss zwischen unten, dem kreativen Unbewussten, und oben, unserem Intellekt, ist intakt. Wir können aus dem Vollen schöpfen, sind kreativ, mitfühlend, und unser Geist ist klar. Wir handeln nicht überstürzt, aus der Not heraus und reaktiv, sondern ruhig, bedacht und wissen genau, was die nächsten Schritte sind.

Dazu kommt, dass wir uns durch die Rückverbindung mit unserem Wesenskern jederzeit mit den uns innewohnenden Ressourcen verbinden und an einen Ort zurückziehen können, wo wir uns regenerieren, erholen und die Batterien wieder aufladen können. Es ist ein Weg zurück in die Freiheit und in die Selbstermächtigung, ein Ankommen in der eigenen inneren Kraft. Der Polarity-Begründer Randolph Stone beschreibt diesen inneren Raum als äusserst geladenes ionisches Plasma, das als Matrix für das Leben und als erste Voraussetzung für die Manifestation von Form fungiert.

Diese formbildenden Kräfte wirken jedoch nicht nur individuell in jedem Menschen, sondern auch kollektiv in der Gesellschaft. Betrachten wir die Gesellschaft, so sehen wir, dass diese in der Involutionsbewegung steckengeblieben ist. Menschen, die in unserer Gesellschaft in Verbindung sind mit sich selbst, die auf ihre Bedürfnisse hören und ihr volles Potenzial leben, wie zum Beispiel im Fussball Maradona und Pele, oder auch Wissenschaftler wie Einstein oder Musiker wie Bob Marley, Miles Davis oder spirituelle Lehrer wie Osho, Yogananda gelten dann im besten Fall als Genies, Heilige oder Lebenskünstler, andernfalls als Spinner, Träumer, Fantasten, Sektierer und so weiter. Tatsächlich ist es uns in der heutigen profitorientierten Kultur oft unmöglich, unsere Gaben respektive unser geistiges Erbe in die Welt zu tragen und damit unseren Lebensunterhalt zu verdienen, da die kollektiven Wertvorstellungen und Leistungsansprüche dies nicht nur nicht zulassen, sondern systematisch unterbinden.

Umdenken – Neudenken
Für einen Kulturwandel braucht es ein kollektives Umdenken oder Neudenken. Wir Menschen müssen den Mut aufbringen, tatsächlich unkonventionelle Wege zu betreten und unsere gesellschaftlichen Wertvorstellungen als destruktiv anzuerkennen. Denn es braucht ein kollektives Verständnis dafür, dass eine Rückverbindung letztendlich eine Win-Win-Situation für alle ist. Ist ein Mensch sich seiner Kräfte vollumfänglich bewusst, wirkt sich das positiv auf das Umfeld, auf die Familie und auch auf die Arbeit aus. Denn wenn wir die Verbindung mit uns selbst wieder bewerkstelligen und lebendig gestalten können, gelingt es uns auch wieder, uns mit unseren Mitmenschen und der Natur in gesunder und respektvoller Art zu verbinden. Wir nennen das auch eine Kern-Kern-Beziehung. Wir können uns mit unserer Kreativität verbinden und Lösungen erarbeiten, die der Gesellschaft und dem ganzen Planeten dienen.

Beispiele von nachhaltigen Gesellschaften und möglichen Modellen für die neue Kultur gibt es heute schon viele, wie zum Beispiel die 10’000 Ökodörfer in über 100 Ländern. In diesen Gemeinschaften werden nachhaltige Formen des Zusammenlebens und Handelns in den Bereichen Spiritualität, Ökologie und Ökonomie praktisch erforscht. Dort gibt es Raum für Meditation, Kreativität und zwischenmenschlichen Austausch.

PädagogInnen wie Maria Montessori haben längst erkannt, dass die Aufgabe der Umgebung nicht darin besteht, ein Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren. Immer mehr Eltern suchen heute für ihre Kinder ebensolche Bildungsstätten und LehrerInnen mit dem Wissen und Bewusstsein, dass der Intellekt allein ihre Kinder nicht für die Mysterien der Existenz zu öffnen und ihr Leben zu transformieren vermag.

Ganzheitlich praktizierende TherapeutInnen finden zunehmend Anerkennung in der Gesellschaft, da die energetische Arbeit einerseits nachhaltig positive Ergebnisse zeigt und andererseits ein neues oder ein wiederzuentdeckendes Wissen um Gesundheit und ein damit einhergehendes persönliches Gestaltungs- und Verantwortungsbewusstsein in die Gesellschaft trägt.

Es braucht die Erkenntnis, dass das Leben uns gegeben wurde und es aus sich selbst heraus existiert. Dass die Quelle in uns selbst liegt und wir durch die Rückverbindung jederzeit daraus schöpfen können. Erst dann können wir die falsche Idee, das Leben kontrollieren zu müssen, aufgeben. Das Ringen im Überlebensmodus, diese gesellschaftlich exzessive Involutions-Polarisierung, kann dann im transformativen Prozess der wiedererlangten natürlichen Pulsation aufgelöst werden.


Polarity-Therapie
Die Polarity-Therapie nach Dr. Randolph Stone (1890–1981) ist ein umfassendes Gesundheitssystem: Es verbindet östliche und westliche Heilmethoden und baut auf einem einzigartigen Modell der Energie-Anatomie auf. Das Ziel besteht darin, im bipolaren Energiefeld des Menschen einen harmonischen, ausgewogenen Fluss der Lebensenergie im und um den Körper zu ermöglichen. Gesundheit und natürliches Wohlbefinden sollen so gefördert und erhalten bleiben.

Die Autoren Andrea Nydegger und Thomas Truttmann sind dipl. Polarity-Therapeuten und praktizieren seit Jahren sowohl in eigener Praxis wie auch in der Zusammenarbeit mit Institutionen mit den energetischen Lebensprinzipien.

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